Eingang zur “PUKZH”. Bild: Hüfner
Jestetten | Rheinau (hüf) Nach der Flucht eines Patienten der Forensischen Psychiatrie in Rheinau am 18. Juli sind viele Fragen offen. Auch, warum keine öffentliche Fahndung herausgegeben wurde und wie sicher der 2007 eröffnete Trakt tatsächlich ist.
Die Direktion der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich antwortet auf Nachfrage von Hierzuland.Info, dass sie zum Vorgang der Flucht “aus sicherheitstechnischen Gründen keine weiteren Angaben machen kann.” Die Klinikleitung habe auf den Vorfall umgehend mit baulichen und anderen Maßnahmen reagiert, um das Risiko ähnlicher Vorfälle zu minimieren.
Der Vorfall vom 18. Juli stellt den ersten Ausbruch aus dem besonders gesicherten Bereich der Klinik dar.
Klinikleitung
Zur Begründung, warum es keine Medienmitteilung nach der Flucht des Patienten gab, verweist die Klinikleitung auf die Aussagen des zuständigen Staatsanwalts. Der hatte festgestellt: “Bei dem Geflohenen handelte es sich um eine Person, die sich in Untersuchungshaft befand. Der Mann war suizidgefährdet und es bestand Fluchtgefahr. Daher war er in der Klinik in Rheinau untergebracht worden.” Gewalt, Drohung oder Drittgefährdung sei von dem Mann nicht ausgegangen.
Etwas anders stellt es sich für die Polizei in Deutschland dar. “Ich wundere mich auch”, meint die Polizeisprecherin aus Freiburg. So etwas werde normalerweise kommuniziert. “In Deutschland wird generell dann in so einem Fall die Öffentlichkeit informiert”, so die Sprecherin. Allerdings könnte aus taktischen Erwägungen heraus solch eine Information zurückgehalten werden. Dann gebe es aber nachvollziehbare Gründe. Nicht bekannt sei, ob und wo sich der Psychiatriepatient in Deutschland aufgehalten habe, bis er sich der Schweizer Polizei stellte.
Eine Stellungnahme zur Informationspolitik der Klinik beziehungsweise der Behörden war vom Jestetter Rathaus nicht zu bekommen. Auf entsprechende Nachfragen von Hierzuland.Info reagierte Bürgermeisterin Ira Sattler nicht.
Klinikbedienstete melden sich zu Wort
Zwei Personen, die aus ihrer beruflichen Tätigkeit die Klinik gut kennen, sprechen gegenüber Hierzuland.Info von laxer Sicherheitskultur in dem Trakt für gefährliche Straftäter.
Der Ausbruch sei nicht der erste in Rheinau gewesen. Nicht davon betroffen sei jedoch bislang der Hochsicherheitstrakt. Hier wäre aber vor einigen Jahren ein Versuch vereitelt worden. Unter dem Personal werde daher unter anderem gefordert, die Abteilung dem Strafvollzug zu unterstellen und damit der Justiz- und nicht der Gesundheitsdirektion den Kantons.
Dazu meint die Klinikleitung: “Beim hiesigen Zentrum handelt es sich um eine Klinikeinrichtung und nicht um ein Gefängnis, weshalb die Gesundheitsdirektion zuständig ist. Forderungen nach Änderung dieser Zuständigkeit sind uns von Seiten des Personals nicht bekannt.”
“Die Mitarbeiter dürfen die Sicherheitsvorgaben nicht umsetzen,” lautet der schwerwiegendste Vorwurf. Den Beschäftigten werde von Vorgesetzten und Klinikleitung vorgeschrieben, sie “sollen vom Justizvollzugsanstalts-Denken wegkommen.” Die Leute von der Sicherheit dürften ihren Job nicht machen, lautet der persönliche Eindruck. Seit etwa einem Jahr habe sich das noch verstärkt: “Kontrollen lassen dermaßen nach auf Befehl von Oben.” Daher kämen auch gefährliche Gegenstände, Drogen oder Medikamente in den Sicherheitstrakt.
Da passe es, dass in Rheinau Drohungen und Angriffe auf das Personal “unter den Teppich gekehrt werden.” Betroffenen werde von den Verantwortlichen sogar abgeraten, Anzeige zu erstatten. Letztlich seien nur eine handvoll Vollzugsbeamte in der forensischen Einrichtung tätig.
Spitaldirektion weist Vorwürfe zurück
Die Klinikleitung weist diese Vorwürfe zurück: “Besucher und Patienten werden bei Betreten des Sicherheitstraktes sorgfältig untersucht. Ein unkontrolliertes Betreten dieses Bereichs kann ausgeschlossen werden. Gleiches gilt für den Konsum psychotroper Substanzen.”
Patientinnen und Patienten des Sicherheitstraktes sind keine Ausgänge im Gelände erlaubt und Transporte nach extern erfolgen ausschließlich in Polizeibegleitung.
Klinikleitung
Ein erhöhtes Risiko von Übergriffen durch die Patienten auf das Personal räumt die Klinik ein. Dies sei aber auch in anderen vergleichbaren Einrichtungen nicht zu vermeiden. “Mit entsprechend technischen, organisatorischen und strukturellen Vorkehrungen, die laufend überprüft und angepasst werden, wird im Zentrum für Stationäre Forensische Psychiatrie versucht, das Risiko auf ein Minimum zu begrenzen respektive auszuschließen.”
Im Fall von Übergriffen würden den betroffenen Mitarbeitenden interne und externe Hilfen angeboten und aktive Unterstützung gewährleistet. “Die Entscheidung, Anzeige zu erstatten, bleibt dem Betroffenen überlassen, wird aber im gegebenen Fall von der Klinikleitung unterstützt.”
Zu den Patienten im Zentrum für Stationäre Forensische Therapie in Rheinau stellt die Klinikleitung fest: “Weit über zwei Drittel unserer Patientinnen und Patienten leiden unter einer Schizophrenie oder einer ähnlichen Erkrankung.”
Nach wie vor stellt sich die Frage, ob in künftigen Fällen die Öffentlichkeit informiert wird. “Es sind keine netten, harmlosen Menschen”, so die Erfahrung eines Klinik-Mitarbeiters zu den Patienten der Forensischen Psychiatrie in Rheinau.